Der Marburger Genetiker Michael Bölker stellte am vergangenen Mittwoch bei der 10. Veranstaltung der Ringvorlesung "Was ist modern?" das spannende Gebiet der Synthetischen Biologie vor. Sie ist eine moderne, weil recht neue Wissenschaft, und leistet ihren eigenen Beitrag zur Modernisierung der Natur, indem sie ingenieurmäßig vorgehend die Funktion von Lebewesen gezielt beeinflusst.
Von Ingenieuren entwickelt ist die synthetische Biologie in die Bio- und Gentechnologie eingezogen. Bioingenieure verstehen das Erbgut als eine 2-Bit-Programmiersprache, so Professor Bölker, die "gehackt" werden kann. Das ist nichts Neues. Neu ist hingegen die aus den Ingenieurwissenschaften entlehnte Vorgehensweise, Bauelemente zu standardisieren und zu modularisieren und somit zu austauschbaren funktionstragenden Black Boxes zusammenzuführen. Dieses Herangehen ist in den Lebenswissenschaften neu - und modern.
Die Bauteile heißen Biobricks und sind laut Professor Bölker Ausgangspunkt einer "modernen Steinzeit": Wie aus Ziegelsteinen die Backsteingotik mit zum Himmel strebenden Kathedralen hervorgehen konnte, sollen aus Biobricks Mikroorganismen mit nützlichen Funktionen entstehen. Beispiele sind die Biosynthese komplexer Wirk- oder Treibstoffe oder die Anzeige von Umweltgiften durch organismische Biosensoren. Tatsächlich sind das Malariamittel Artemisinin oder Biodiesel erfolgreiche Vorzeigeprojekte mit wirtschaftlicher Bedeutung. Diese Form der Modernisierung der Natur gipfelt in der Totalsynthese von Lebewesen ("never-born cells"), anstelle der gezielten Veränderung von Bestehendem. Als Nebeneffekt erhofft man sich ein "inneres Verständnis" von dem Phänomen Leben.
Der Vortrag zeigte, wie sehr Mikroorganismen schon zu Werkzeugen des Menschen geworden sind, und stimmte angesichts der Möglichkeiten der Synthetischen Biologie nachdenklich.