Revolution in der BioBox

"Wir sind alle sehr aufgeregt." sagt Professor Röbbe Wünschiers von der Fachgruppe Biotechnologie und Chemie. "Es fühlt sich an wie in der Kindheit, wenn ein komplexer Legobaukasten Einzug in das Kinderzimmer erhält. Man ahnt, dass der Zusammenbau schwierig wird. Man weiß aber auch, was sich dann alles Tolles spielen lässt." Das Kinderzimmer ist das Labor, das Spielzeug ein Sequenzierautomat und das Spiel die Forschung. Um die Revolution nachvollziehen zu können, muss zunächst der Ist-Zustand erläutert werden: Die Untersuchung (Sequenzierung) der Erbinformation (DNA, auch Genom genannt) und seiner Aktivität (RNA, auch Transkriptom genannt) bieten heute einen schnellen Zugang, um biologische Prozesse in Lebewesen zu untersuchen. Die Biotechnologen um Professor Röbbe Wünschiers in der BioBox (den Laborcontainern in der Lutherstr.) machen von dieser Technologie in unterschiedlichen Projekten regen Gebrauch. In zwei teilweise ineinander verzahnten Forschungsprojekten werden die Regulation der biologischen Prozesse bei der Biomassevergärung (Methanerzeugung in Biogasanlagen) und bei der Sonnenlicht-getrieben Erzeugung des Energieträgers Wasserstoff durch Purpurbakterien untersucht. Die notwendigen Sequenzierungen führt das Forschungsteam bislang allerdings nicht in Mittweida durch, sondern schickt die vorbereiteten Proben an Dienstleister. Der Grund dafür ist, dass die notwendigen Sequenzierautomaten erhebliche Anschaffungs- und Betriebskosten erzeugen, die nur durch eine hohe Auslastung gedeckt werden können. "Ein Sequenzierautomat kostet rund 45.000 Euro und erzeugt pro Probe Betriebskosten von ca. 1.000 Euro." erläutert Professor Wünschiers. "Wir zahlen Dienstleistern jährlich rund 40.000 Euro für Genom- und Transkriptomsequenzierungen und haben damit immer die neueste Technologie zur Verfügung." Ein eigener Sequenzierautomat lohnte sich für die Biotechnologen bislang nicht.
Seit einigen Monaten bietet die englische Firma Oxford Nanopore einen Sequenzierautomaten von der Größe eines Schokoriegels und einem Gewicht von 90 Gramm an. Alle anderen Geräte haben mindestens ein Gewicht von 50 kg. Die Miniaturisierung war durch die Entwicklung einer vollkommen neuen Sequenziertechnologie möglich. Diese Technologie erlaubt auch eine vereinfachte Probenvorbereitung, einen erheblich schnelleren Lauf und eine verbesserte Datenauswertung. Noch ist das Gerät nicht voll ausgereift, kann aber von ausgewählten Laboren bereits eingesetzt und getestet werden. Die Biotechnologen in Mittweida sind dabei. "Durch die Mobilität des Sequenzierautomaten sehe ich z.B. erfolgversprechende Einsatzmöglichkeiten beim Monitoring der Methanerzeugung in Biogasanlagen. Unser Forschungsziel ist, von der Verteilung und Aktivität der Mikroorganismen den Verlauf des Prozesses vorherzusagen. Mir ist aber auch klar, dass die Zeit zwischen Probenahme und -sequenzierung noch zu lang ist. Es scheint, dass ich diese Sorge nun los bin." sagt Professor Wünschiers.
Langfristig ist auch der Einsatz dieses neuen Sequenzierautomaten in der Lehre geplant. Damit kann noch innerhalb eines Tages z.B. das Ergebnis einer Klonierung oder PCR-Analyse untersucht und die Sequenzdatenanalyse labornah nachvollzogen werden. "Dieser miniaturisierte Sequenzierautomat bietet aber auch einen derart einfachen Zugang zu biologischen Daten, z.B. dem Erbgut meines Nachbarn, wie es vor Jahren noch nicht denkbar gewesen ist." fügt Professor Wünschiers mit nachdenklicher Stimme an. "Das wird die Wissenschaft weltweit, aber auch unsere Studierenden, z.B. in Bioethik, noch beschäftigen."